Oktobernotizen – 15. 10. 2023

Sonntag
Es ist, bis auf drei Ausnahmen, mein erster wirklich entspannter Sonntag seit Jahren.
Die drei Ausnahmen waren der 9. April diesen Jahres, als Mutti ihren 90. Geburtstag hatte und wir in Familie verreist waren. Das war sehr schön. Nachzulesen hier.
Der zweite entspannte Sonntag in diesem Jahr war der 3. September, als ich bei Dani Halbes-Jahrhundert-Party im Wald war und bei der Fahrt dorthin alle meine Alltagssorgen daheim zurückgelassen hatte. Das Waldfrieden-Camp war so etwas wie ein geschützter Raum, in den der ganze Mist und Stress und das alles keinen Einlass fand. Erwähnt habe ich das hier, wo es auch zwei Fotos gibt.
Und der dritte feine Sonntag war der 24. September, den ich hier erwähnt habe, der aber leider gruselig endete.
Nun heute…
Ich habe ausnahmsweise bis 7:45 Uhr geschlafen. Nach dem Aufwachen hatte ich das beruhigende Gefühl, die Mutti gut versorgt zu wissen. Zu dieser Zeit war sie wahrscheinlich schon frisch gemacht und schön angezogen und auf dem Weg zum Frühstück. Sie hatte sich dafür Brötchen gewünscht und der Pfleger meinte, Brötchen gäbe es vielleicht nicht. Aber die Pflegerin, die noch da war, weil sie die Mutti {und mich} abgeholt hatte und die für das heutige Frühstück zuständig ist, meinte, sonntags gäbe es auch Brötchen.
Am Nachmittag gehe ich hin und bringe ihr noch Kleidung und verschiedenes, was derzeit noch auf der Leine hängt. Und der Sohn will auch hinkommen und noch ein Schränkchen und diverse Kleinteile bringen.
Hier in meiner Wohnung klar Schiff zu machen, wird noch eine Weile dauern, aber da der große Druck der Pflege von mit abgefallen ist, bekomme ich das auch wieder geregelt.
Ich könnte hier jetzt noch ewig weiterschwatzen, aber ich hab ja noch bissel zu tun.
Also dann bis später.
Habt alle einen feinen Sonntag.
Eure Mira

Samstagsplausch {14. Oktober 2023}

Wenn Andrea nachher wieder zum Samstagsplausch einlädt, kann ich mich heute nur kurz melden, denn heute ist Muttis Umzugstag. Da der bisherige Pflegedienst nun nicht mehr kommt, am Wochenende ja ohnehin nicht, muss ich nachher gleich los. Unterwegs möchte ich frische Brötchen holen und dann die Mutti aus dem Bett holen und schön frisch machen, die Tabletten verabreichen. Deshalb möchte ich auch pünktlich sein, nicht wie beim Pflegedienst, bei dem sie die Morgentabletten an einem Tag um 9 Uhr bekam, am anderen 10.30 Uhr, wie es eben in die Tour passte. Dann möchte ich mit der Mutti schön frühstücken, wobei ich wahrscheinlich nur dabeisitzen werde. Das war in letzter Zeit immer so, dass ich bei ihr keinen Bissen hinunter brachte. Ich weiß nicht, warum das so war, aber heute weiß ich es. Mich würgt nämlich die Ungewissheit, ob mit dem Umzug alles klappt.
Von meiner Seite habe ich alles getan, was ich konnte, damit alles gut geht. Die SchwieTo hat auch nach Kräften geholfen. Da haben wir am Donnerstag das Bett heran geholt und gestern den Schrank. Wenn es nach dem Sohn gegangen wäre, hätten wir den Schrank auch noch am Donnerstag mitbringen sollen. Hey, ich habe keinen LKW. Mein Auto ist zwar groß, aber es war mit dem Schrank restlos voll, da hätte das Bett nicht mehr hinein gepasst. Da es mir aber wichtiger war, dass die Mutti ein Bett hat, haben wir das zuerst geholt. Das war aber unsinnig, weil der Sohn es gestern nicht geschafft hat, es aufzubauen. Laut SchwieTo will er zwar heute ab 8 Uhr dort in der WG sein und die Möbel aufbauen, aber ich kenne meinen Sohn…
Update
Ich habe gerade angerufen, er ist auf dem Weg und die SchwieTo auch. Es ist 8:08 Uhr. Da kann ich jetzt Hoffnung haben, dass doch alles klappt.

12 von 12 im Oktober

12_von_12

Na huch, ich habe gerade festgestellt, dass ich im September gar keine 12 von 12 aufgenommen und geschrieben habe. Somit fehlte da auch der Link zu Caro
Und heute? hätte ich es auch beinahe vergessen. Aber nur beinahe, denn als ich in der Firma den Kalender umstellte, fiel es mir natürlich wieder ein. Und ich hatte sogar schon ein Foto, weil, als ich ankam, ein Karton mit Spielzeug vor der Tür stand, den ich ganz fix hinein geräumt habe, weil es eben zu nieseln begann.
Nach der Bergung des Kartons gab es erst einmal einen Milchkaffee für mich.
Im Mini-Einkaufszentrum auf dem Berg kaufte ich Batterien und brachte gleich noch eine Packung Windelhöschen mit. Neulich hatte ich mich vergriffen und einfache Windeln zum Binden erwischt. Damit kommt weder die Mutti klar, noch der Pflegedienst. Und ich sowieso nicht. Ein Packet sollte reichen für die letzten drei Tage daheim. Danach regelt das alles die WG.
Durch die regnerische Herbstluft waberte Bratduft. Und weil ich noch nichts im Magen hatte {außer dem Milchkaffee}, organisierte ich mir gleich mein Mittagessen.
In der Kreativzeit auf Arbeit kämpfte ich mich durch die Anleitung für die Spitzenstulpen, die ich zwar nachvollziehen kann, die aber etwas holperig geschrieben ist.
Mit Tausend Ideen im Kopf betrachtete ich meine neuen Stricknadeln, um mir eine für ein Projekt auszuwählen. Das verwarf ich jedoch wieder und packte die Nadeln weg.
Zum Feierabend traf ich mich mit der SchwieTo, die so lieb war, zu allererst meine Wollekisten ins kleine Zimmer zu räumen, damit das Auto frei wurde.
Dann fuhren wir zum Möbelhaus. Das heißt, ich konnte mich zurücklehnen, die SchwieTo fuhr. Auch mal schön.

Das Herumgelaufe beim Möbelschweden ging uns beiden auf die Knochen, wir hatten am Schluss beide Rückenschmerzen. Über den Einkauf freuten wir uns trotzdem. Wir luden alles ein und später bei Muttis neuer Wohnung wieder aus.
Danach musste ich kurz nach Hause, ein paar Kleinigkeiten holen…
…und dann zur Kleinen Frau, um ihr für den nächsten Tag ein Mittagessen zu kochen.

21:30 Uhr war ich endlich wieder daheim. Von meinem Feierabendvergnügen gibt es verständlicherweise kein Foto, da ich schlecht das Handy mit dem Handy aufnehmen konnte und man ein Telefonat ohnehin nicht fotografieren kann.
Es fielen während des Gesprächs ein paar ganz wundervolle Bemerkungen und Bekenntnisse. Oh wie schön. Mein 12. Oktober 2023 fand einen ganz wunderfeinen Abschluss.

In früheren Jahren

12 von 12 im Oktober 2022
12 von 12 im Oktober 2021
12 von 12 im Oktober 2020
12 von 12 im Oktober 2019
12 von 12 im Oktober 2018
12 von 12 im Oktober 2017

Oktobernotizen – 11. 10. 2023

Zum Feierabend hatte ich Eile, weil 15 Uhr die Pflegeberaterin zur Mutti kommen wollte. Tatsächlich war sie dann 16.30 Uhr da. Kann ja mal passieren. Dafür hatte sie dann aber die Verträge dabei.
Sie stellte fest, dass mit der Mutti an diesem Tag schlecht reden war. Sie driftete immer wieder ab und ich war froh, dass wir am Tag zuvor schon mit ihr gesprochen hatten, denn an diesem Tag hätte sie vielleicht gar nicht erfasst, was wir ihr mitteilen wollten.
Der derzeitige Pflegedienst gab wieder eine Kostprobe seiner Arbeitsweise. Bereits 16 Uhr wurde die Mutti bettfertig gemacht und saß fortan im Nachthemd herum. Das Abendessen wollten sie auch schon reichen. Ich habe das aber abgelehnt und gesagt, ich mache das selbst, weil es jetzt noch viel zu früh ist. Zum Vergleich: Am Tag zuvor war erst 19.30 Uhr jemand da, um das Abendessen zu reichen und sie bettfertig zu machen. Es gibt dort überhaupt keine Regelmäßigkeit, die für demente Menschen meines Erachten zwingend erforderlich ist. Nunja, es ist ja bald vorbei, denn am Samstag 15 Uhr zieht die Mutti in ihre WG.
Später kochte ich der Mutti einen Pudding, den sie sich zum Abendessen gewünscht hatte. Und das Mittagessen für den nächsten Tag kochte ich ebenfalls vor und stellte es in den Kühlschrank, denn der Pflegedienst hat gerade mal Zeit, ihr das Essen in die Mikrowelle zu stellen. Zubereitet werden kann in der knappen Zeit nichts. Gegen 20 Uhr musste ich die kleine Frau noch einmal komplett frisch machen. Sämtliche Kleidung {Nachthemd, Socken, Schlüppi} wechseln, sie waschen und dann ins Bett bringen.
Später fuhr ich in den Garten, um den Sohn heim zu bringen, der wieder einmal noch nicht fertig war und mich warten lassen musste. Immerhin sah ich endlich auch die Hexe mal wiedre. Das war schön und ich tankte ein wenig auf.
22 Uhr war ich dann endlich daheim und musste mich noch um Muttis Wäsche kümmern.
Kein Wunder, dass ich immer so fertig bin.

Oktobernotizen – 10. 10. 2023

Gestern
Auf dem Heimweg machte ich Halt bei einem Möbelhaus. Ich fand auch ein ganz tolles Bett, so wie ich mir das vorgestellt hatte. Nur leider gab es das nicht in 90 x 200, sondern ab 140 x 200 aufwärts. Tja, dann eben nicht. Ich fand eine Alternative, behielt mir aber Bedenkzeit bis zum nächsten Tag vor.
Mit dem Sohn traf ich mich im Garten. Ihm gefiel die Alternative gar nicht, so dass wir online auf die Suche gingen und ein Bett fanden, das uns beiden gefällt. Das werden wir am Donnerstag abholen.
Es regnete schon den ganzen Tag wie aus Eimern. Mir tat es unglaublich gut, wenigstens für eine kleine Weile im Garten zu sein. Der Draußenmensch in mir fühlt sich in den letzten Wochen sehr eingesperrt. So ist gerade der Aufenthalt im Freien bei diesem ungemütlichen Herbstwetter für mich ein wahrer Genuss.
Nachdem wir alles besprochen und abgestimmt hatten, fuhr ich zur Mutti.
Ich habe mir eine Schnitte mit Banane genommen.
War denn der Pflegedienst nicht da?
Da muss ich mal überlegen.
Es war natürlich jemand da gewesen, sogar eine ganz besonders Liebe, die später noch einmal wieder kam wegen der Tabletten.
Ich hab sie gefragt, ob sie Pudding kochen kann. Aber sie hat gesagt, sie kann das nicht.
Klar, für solche Sonderwünsche haben die Pflegekräfte keine Zeit. Das bleibt für mich, aber die Mutti wollte dann doch lieber ein Schnittchen mit Lachsfleisch. Hach ja.
Dann kochte ich das Mittagessen für den nächsten Tag, sammelte die Wäsche ein und den Müll. Fällt ja jeden Tag was an.
Endlich daheim, schickte ich dem Sohn einen Text, er möge bitte anrufen, wenn er heim will, weil ich Nachrichten vermutlich nicht mehr mitbekomme. Ich war sooo müde.
21.30 Uhr war ich dann endgültig zu Hause. Glaubt nicht, dass ich da noch viel hinbekommen habe. Zwei Würstchen machte ich noch warm, aß nur eins und las noch ein Weilchen.

Heute
{10.10.2023}
Ich wollte mich mit dem Sohn bei der Mutti treffen. Tatsächlich fuhr ich nach der Arbeit zum Garten, um ihn abzuholen. Ich musste ein Weilchen warten, weil er noch bei einem Freund die Laube von innen verputzte und die Arbeit nicht unterbrechen mochte. So saß ich ein Weilchen vor der Laube im Regen. Das feuchtkalte Wetter tat meiner Seele gut. Diese nämlich fühlte sich sehr geschunden an, weil mir an diesem Abend die unliebsame Aufgabe bevor stand, mit der Mutti zu reden und ihr zu erklären, was wir mit ihr und für sie vor haben.
Sie war an dem Abend sehr wach und aufmerksam, und als ich ihr alles erklärt hatte, meinte sie Na, dann müssen wr das eben so machen.
Von da an saß sie aber, wie ein Häufchen Elend auf ihrem Platz und starrte vor sich hin. Und als ich sie streichelte und ich sagte, dass ich sie lieb habe, fauchte sie: Das nutzt mir jetzt auch nichts mehr!
Später brachte ich sie ins Bett, und als ich bereits draußen auf der Treppe meine Schuhe anzog, kam sie noch einmal an die Wohnungstür, lächelte mich an uns sagte: Ich danke dir für alles.
Mir lieb es eiskalt den Rücken hinunter. Es klang so sehr nach Abschied.

Der 41. Montag 2023

Es ist Montag und bei Anita gibt es auch heute wieder einen Lückentext zum Ausfüllen.
Da wollen wir doch mal sehen.

❶ Heute muss ich mich kümmern, dass wir für die Mutti ein neues Bett bekommen.

Spätestens morgen sollte das geklärt sein, sonst verzögert sich der Umzug.

In der Mitte der Woche will die Chefin der WG zur Mutti kommen und sie auf den Umzug vorbereiten. Ich habe da so meine Bedenken, was Muttis Reaktion betrifft.

❹ Neues wagen: Das muss die kleine alte Frau mit diesem Umzug in die WG.

❺ Und wenn alles so klappt, wie vorgesehen, kann sie tatsächlich am Samstag einziehen.

❻ So schnell hatte ich gar nicht damit gerechnet, aber es ist gut so, damit die
Pflege rund um die Uhr gewährleistet ist
.

❼ Für Sonntag habe ich einen ganzen Tag bei Mutti in der WG zur Eingewöhnung geplant und es steht/stehen sicher noch jede Menge Räumarbeiten an.

Und schon sind die Lücken gefüllt.
Obwohl ich mich sehr darüber freue, dass es mit dem WG-Zimmer für Mutti geklappt hat, fühle ich mich nicht wirklich gut. Obwohl ich sicher bin, dass sie es dort mit der 24-Stunden-Betreuung besser hat, als allein in ihrer Wohnung, habe ich Angst, dass sie sich abgeschoben fühlt. Obwohl die gesamte Familie hinter mir steht, komme ich mir blöd vor und rücksichtslos und …ach, ich weiß auch nicht.

Samstagsplausch {07. Oktober 2023}

Wenn Andrea auch heute wieder zum Samstagsplausch einlädt, möchte ich euch von meiner Woche berichten, die so gruselig begann und so gut weiterging.
Der Satz kommt euch aus der letzten Woche bekannt vor? Schaut mal, er ist genau umgekehrt, vom Schlechten zum Guten diesmal. Das ist doch eine positive Entwicklung. Stimmt’s?
Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen, weil ich ein wenig verschlafen habe. Ich hatte 5.30 Uhr noch keine Lust aufzustehen und dann war es plötzlich 7.25 Uhr und nun ist Eile geboten, weil ich nachher gleich zur Mutti möchte, waschen, frisch machen und ihr dann ein feines Frühstück machen. Vorher will ich noch die Wäsche aufhängen, in der Hoffnung, dass es heute nicht regnet.
Also jetzt schnell…

Die Rückschau
Samstag
Der Mutti ging es viel besser und der Sohn stellte selbst fest, dass wir sie wahrscheinlich hätten mitnehmen können in den Urlaub. Aber nun war ja alles anders geplant und so brachte ich ihn noch an mein Auto, mit dem die jungen Menschen in Richtung Ostsee starteten. SchwieTos kleine Knutschkugel blieb bei mir, damit ich wenigstens mobil bin und nicht alles zu Fuß erledigen muss.

Sonntag
Mutti pflegen, sonst bekam ich nichts auf die Reihe.

Montag
Das war ein eigenartiger Tag, an dem ich aber mal ein paar Dinge für mich erledigen konnte. Und es gab eine Seltsame Begebenheit, am Ende des Eintrages vermerkt.

Dienstag
Feiertag. Den ich bis zum frühen Nachmittag im Bett zubrachte. Ich war in der Nacht zusammengeklappt. Mein Körperchen spielte völlig verrücht und ich konnte am Morgen nicht aufstehen. Ging nicht. Ich war völlig kraftlos, und selbst, als ich mich versuchte, aufzuraffen, schlief ich immer wieder ein, sogar auf der Toilette. Als ich mich am frühen Nachmittag doch zur Mutti gequält hatte, erwartete mich ein sehr trauriges Bild. Sie hatte Durchfall gehabt und… den Rest erspare ich euch. Ich kam zu dem Schluss, dass es gut war, daheim geblieben zu sein. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wenn uns das im Hotel passiert wäre. Ich hatte in meinem desolaten Zustand über eine Stunde gebraucht, die Mutti zu reinigen und die verschmutzten Flächen in Küche und Bad zu reinigen. Und ich hatte drei Mülltüten voller Wäsche, die ich mitnehmen musste. Als ich fertig war, kam der Pflegedienst.
Dieses friedliche Bild zum Feierabend tat meiner Seele gut.

Mittwoch
Wieder in OZ. Am Vormittag musste ich kurz in die Stadt, um ein Paket abzuholen, dass nicht zugestellt werden konnte. Diese Mini-Auszeit habe ich so sehr gebraucht und in mich eingesogen.
Am Nachmittag war ich noch einmal beim Pflegedienst. Die blieben aber hartnäckig: Wir kommen nicht am Wochenende!
Ich fragte, was ich deren Meinung nach tun sollte, einen anderen Pflegedienst beauftragen?
Sie müssen Ihre Mutti ohnehin bald ins Heim geben. Zu Hause geht das nicht mehr lange gut.
Gleich danach kam die Bemerkung: Unser Heim nimmt aber nur noch Kurzzeitpflege auf. Dauergäste nehmen wir nicht mehr.
Hm, wahrscheinlich bringt die Kurzzeitpflege mehr Geld. {Böse Bemerkung von mir, die ich aber nicht laut gesagt habe.}

Donnerstag
Nach ein paar Telefonaten habe ich für Freitag einen Besichtigungstermin in einer Senionen-WG. Da geht es mir gleich etwas besser. Ein Telefonat am Abend lässt meine Stimmung allerdings in den Keller rauschen. Aber das hat nichts mit der Mutti zu tun. Zum Glück.

Freitag
Riesen Dank an alle, die mir die Daumen gedrückt haben, die in Gedanken bei mir und der Mutti waren. Es hat geholfen. Wir haben den Platz in der Senioren-WG. Es ist sehr schön da. Wenn ich mal ganz alt bin, würde ich gern da wohnen, wobei ich mir den Platz nicht leisten könnte. Die Mutti schon.

Auch herzlichen Dank für Euren Zuspruch bezüglich Traurig-Telefonat. Es hat sich aufgeklärt und am Freitag Abend haben wir fast zwei Stunden geschwatzt und da kam zwischendurch eine Art Geständnis: Ich hab’s nicht so mit Worten, aber ich vermisse dich sehr. Oh.

Heute
Jetzt ist Eile geboten. Die Mutti hat bestimmt schon Frühstückshunger. Die Wäsche ist schon gepackt und wird auf dem Weg zum Auto schnell noch auf die Leine verfrachtet. Ich darf jetzt nur das ganze Essen nicht vergessen, das ich für das Wochenende vorgesehen habe. Sonst muss ich nachher nochmal her. Ach ja, und ein kleines Strickzeug nehme ich trotzdem mit, auch wenn ich wahrscheinlich bei Mutti nicht dazu kommen werde.

Euch allen wünsche ich ein schönes, entspanntes Wochenende.
Meines wird auch entspannter als das letzte, weil ich weiß, dass die Mutti ab nächste Woche sehr gut versorgt wird. Dadurch habe ich gleich wieder viel Kraft geschöpft und werde dieses Wochenende mit der Kleinen Frau so gut wie möglich gestalten.

Habt es fein
Eure Mira

Regen im Paradies

Oktobernotizen – 06. 10. 2023
Heute Mittag kam ein Anruf aus Jena, den ich aber verpasst hatte, weil der Klingelton an meinem Telefon aus unerklärlichen Gründen abgestellt war.
Eine Stunde später entdeckte ich den entgangenen Anruf und rief mit Zittern und Zagen zurück, weil ich keine Ahnung hatte, was mich nun noch erwarten könnte. Wenn es aber etwas Schlechtes wäre, wollte ich es lieber hinter mich bringen.
Ich wollte nur Entwarnung geben. Es ist vergleichsweise harmlos.
Oh ha.
Was hatte denn nun dieses Gewitter in unserem Paradies ausgelöst? Dazu muss ich zunächst erwähnen, dass der Jenaer Anfang des Jahres sehr, sehr krank war und sein Leben wohl an einem seidenen Faden hing. Ich hatte einmal scherzhaft gesagt: Du musstest wieder gesund werden, damit wir uns überhaupt kennenlernen konnten.
Seit einer Woche nun hatte er wieder Beschwerden, die sich wohl so anfühlten, wie damals. Und er wollte gestern schon zum Arzt, hat das aber irgendwie nicht geschafft, sich aber vorgenommen, das heute unbedingt zu tun. Aber er hatte Angst vor der Diagnose. Das war vermutlich auch der Grund, warum er den Arztbesuch noch hinausgezögert hatte. Vor diesem Hintergrund wurde seine Aussage von gestern nur zu verständlich.
Ich kenne das aus eigenem Erleben. Das ist schon Jahre her, aber damals hatte ich unglaubliche Angst vor einer Diagnose {die dann nicht eintraf}, aber bis zu der entsprechenden Untersuchung und deren Ergebnis war ich zu nichts zu gebrauchen. War nicht in der Lage zu arbeiten und habe tage- und nächtelang Anno 1503 gespielt, um mich abzulenken. Ich kümmerte mich nicht um meinen Sohn, der damals ein Teenie war, ich ging nicht ans Telefon. Ich hatte, um es mit seinen Worten zu sagen, keinen Nerv für niemanden.
Und dann traf diese verzweifelte Aussage des Jenaers auf mein angeschlagenes Nervenkostüm, weil ich, wie ihr sicher gelesen habt, mit der Pflege der Mutti, mit ihrem Zustand und der nicht besonders hilfreichen Unterstützung des Pflegedienstes völlig überfordert war.
Tja, und da war denn eben Gewitterstimmung. Oder sogar Weltuntergangsstimmung bei mir.
Nun ist es aber wieder gut. Natürlich, weil es vergleichsweise harmlos ist {er hat sich "nur" ne Rippe gebrochen, und wenn er das als harmlos bezeichnet, könnt ihr euch vorstellen, welche Ängste er vorher ausgestanden hat}, aber auch, weil mein Termin in der Senioren-WG heute so gut gelaufen ist. Ich hab nämlich einen schönen Platz für die Mutti bekommen. Und das bewirkt, dass ich jetzt gleich wieder Kraft habe, um alles zu meistern, was jetzt noch auf mich zukommt.
Es tut mir Leid, dass ich gestern so überreagiert und so tiefdunkelschwarz gesehen habe. Und ich danke euch für eure lieben Worte und für euer Daumendrücken.
Bis bald,
eure Mira

Oktobernotizen – 05. 10. 2023

Erst als ich am Morgen im Büro den Kalender umstellte, fiel mir auf, dass heute der 5. ist.
Und was liegt an jedem 5. eines Monats an? Richtig!
WmdedgT – im Oktober
Was machst du eigentlich den ganzen Tag?
Tja, schaun wir mal.
4:45 Uhr
Der Wecker reißt mich aus einem kunterbunten aber irgendwie negativen Traum. Ich taumle ins Bad und breche ohne Anlass in Tränen aus.

5:25 Uhr
Es hat schon was, wieder im eigenen Auto zu sitzen und Richtung OZ zu fahren. Zug wäre mir lieber, weil mein Magen rebelliert und es mir auch sonst nicht gut geht, aber ich habe heute noch etwas mit GabhÄu in der Stadt zu erledigen, und ich kann nicht von ihr verlangen, dass wir das zu Fuß machen.

7:25 Uhr
Die Mitarbeiterinnen stehen zu dritt vor der Tür. Ich war so vertieft in Bürokram, dass ich beinahe vergessen hätte, sie einzulassen. Sie sind sehr besorgt um mich, weil ich offenbar so belämmert aussehe, wie ich mich tatsächlich fühle. Ich koche eine Kanne Tee, in der Hoffnung, dass es mir danach vielleicht etwas besser geht.

8:30 Uhr
Ich hole GabhÄu ab und mit ihr gemeinsam mein Wollepaket.
Die frische Luft tut mir gut.
Der Bekannte "vom Friedhof" ruft an und will mir ein neues Projekt vorschlagen, bei dem ich seine Geschichten vorlesen soll. Wenn du da nur zwei, drei Euro Eintritt nimmst, wird das bestimmt ein Erfolg. Er wird zum Glück abgelenkt, so muss ich ihm nicht sagen, dass ich seine Projektplanung zum jetzigen Zeitpunkt für ein Hirngespinst halte. Er soll erst mal wieder gesund werden.

12:10 Uhr
Eine Recherche ergab, dass ich für die Mutti möglicherweise ein Zimmer in einer Senioren-WG ergattern kann. Für einen Besichtigungstermin soll ich in Kürze einen Rückruf erhalten.
Fortan schleppe ich das Telefon sogar mit zur Toilette, weil ich den Anruf keinesfalls erpassen will.
Bis 15:30 Uhr erfolgt er leider nicht.
Ich packe die großen Wollekisten ins Auto. Wenn ich es schon dabei habe.

16:30 Uhr
Der Rückruf: Ich wollte Ihnen nur Bescheid sagen, damit Sie nicht denken, wir hätten Sie vergessen. Die Chefin ruft sie später selbst an, ist aber im Moment noch unterwegs. So etwa in einer Stunde.
Das ist aber lieb.

17:30 Uhr
Die Mutti schaut mich mit großen Augen an: Ich habe noch nichts zu essen bekommen.
Aber das Mittagessen hast du bekommen?
Ja, aber das hat nicht geschmeckt. Das war furchtbar.
Oh weh, was soll ich ihr nur immer vorsetzen?
Nudeln meint sie, die könnte sie jeden Tag haben. Wenn ich das machen würde, steigt mir der Pflegedienst aufs Dach, weil ich die Mutti zu einseitig versorge. Die haben immer was zu keckern.

18:45 Uhr
Endlich kommt der Pflegedienst. Der Mutti habe ich inzwischen längst Abendessen gemacht und sie hat brav ihre 2 Schnitten gefuttert. Wenn ich ihr Reiterchen mache, isst sie die auf. Sonst würde sie nach einer Schnitte streiken. 😉
Mein Rückruf kommt und ich bekomme einen Besichtigungstermin für Freitag 15 Uhr. Hoffentlich klappt das alles.
Die Mutti ist erstaunlich wach heute. Deshalb setze ich sie auf die Couch und schalte ihr die Flimmerkiste ein.
Ich sammle die Wäsche ein und das Leergut und nehme den Müll mit.
Auf dem Heimweg halte ich neben einem Wäldchen, weil ich einfach noch ein wenig draußen sein möchte und rufe den Sohn an. Erzähle ihm von meinen Erfolgen mit der Mutti und frage ihn, ob er zur Besichtigung mitkommen möchte. Er möchte!
Und wegen des Wochenendes reden wir noch mal, das kriegen wir irgendwie hin.
Ach nö, ich sage für diese Woche ab. Das nutzt jetzt ja nix. Als ich dem Sohn diese Antwort gebe, habe ich ein mulmiges Gefühl.

20:00 Uhr
Es ist noch etwas früh, aber weil der Jenaer sich schon ein paar Tage nicht gemeldet hat, rufe ich ihn an. Es ist kein gutes Gespräch. Die für mich traurige Nachricht, dass der Pflegedienst mich am Wochenende hängen lässt und ich deshalb nicht zu ihm kommen kann, kommentiert er mit: Ich hätte sowieso keinen Nerv für dich.
Was ist denn das bitte für eine Antwort? Ja, wir haben uns von Anfang an ausgemacht, uns ehrlich zu sagen, wenn es mal nicht passt. Aber so? Wie passt denn das zu der Aussage vom letzten Wochenende, als es noch hieß: Ich habe selten einem Menschen so sehr vertraut, wie dir. Also, wahrscheinlich noch nie.
Was ist inzwischen geschehen? Was habe ich mir zu Schulden kommen lassen? Dass ich mich um meine Mutti kümmere? Das kann es nicht sein!
Und warum, warum habe ich blöde Kuh wieder jemandem vertraut? Ich hätte es doch besser wissen müssen!
Immerhin, sein Umzug ist ja nun erledigt, wobei ich ihm nach Kräften geholfen hatte.

21:00 Uhr
Ich bekomme heute nichts mehr geregelt. Ich bin unendlich traurig und weine mich in den Schlaf.

In früheren Jahren
Oktober 2022

Oktobernotizen – 04. 10. 2023

Seltsam – Seltsam
Es war Montag, der 2. Oktober. Das Thermometer kletterte auf 29°C. Es war kein stino Montag, denn wegen des bevorstehenden Feiertages hatte ich für den Brückentag einen Tag Urlaub beantragt. Ursprünglich hatten wir in Familie ans Meer fahren wollen, doch die Mutti war schwer unpässlich, so dass Sohn und SchwieTo ohne uns fuhren und damit unsere Plätze nicht verfallen, ein befreundetes Pärchen mitnahmen.
Ich hatte mir zumindest einen Urlaubsmorgen herausgewirtschaftet, indem ich der Mutti zwei feine Frühstücksteller in den Kühlschrank gestellt und mich für die morgendliche Versorgung auf den Pflegedienst verlassen hatte. So konnte ich es ein klein wenig ruhig angehen lassen und dann einigen Papierkram und ein paar Wege erledigen.
Bevor ich alles hatte erledigen können {das meiste ohnehin für Mutti}, kam der Suchruf, ausgelöst durch den Pflegedienst auf Geheiß der Mutti: Du lässt dich ja überhaupt nicht mehr bei mir sehen. So brachte sie das den Pflegerinnen rüber, die ihr natürlich erst einmal glaubten. Dass ich beispielsweise den ganzen Sonntag bei ihr verbracht hatte und nur durch Mach mal dies, ich möchte jenes innerhalb ihrer kleinen Wohnung auf 7000 Schritte gekommen war, bleibt unerwähnt. Ist ja auch nicht wichtig, dafür hat sie mich schließlich.
Ich kann die Wut verstehen, die manche Pflegende auf ihre Pfleglinge entwickeln. Ich bin auch wütend, allerdings nicht auf die Kleine Frau, sie kann ja nichts dafür, aber auf die gesamte Situation. Und darauf, dass ich mit der Betüddelung überfordert bin. Warum bekomme ich das nicht besser hin? Vermutlich, weil ich durch das ewige Herumgeschubse die lange Zeit vorher schon so ausgelaugt bin, dass ich jetzt, da es wirklich drauf ankommt, keine Kraft mehr habe.
Ich nahm mich schwer zusammen, um nach dem Hilferuf nicht gleich alle Aktivitäten abzubrechen und sofort zu ihr zu springen. Nach tiefem Durchatmen brachte ich meine Erledigungen zu Ende und fuhr dann zur Mutti.
Ich habe Hunger.
Ja, ich koche dir was.
Ich möchte Schnitte, du machst die immer so schön zurecht.
Der Blick in den Kühlschank belehrt mich, dass sie ihren zweiten Frühstücksteller gar nicht angerührt hat.
Den habe ich nicht gefunden! Oha.
Ach, und der Pflegedienst war auch nicht da. Und wer hat mich vorhin angerufen?
Nachdenkliche Stille.
Später am Abend darf ich nach Hause. Ich habe gar nicht so viel gemacht, zumindest habe ich das Gefühl, überhaupt nichts geschafft zu haben, aber ich fühle mich ausgelaugt, wie nach einem Tag im Steinbruch. Entsprechend bekomme ich auch daheim nichts mehr geregelt. Ist ja auch egal. Schließlich ist morgen Feiertag. Da kann ich ja noch bissel herumwirbeln.
Gegen 22.00 Uhr erreicht mich der Anruf eines guten Bekannten. Er betrachtet sich als mein Freund, aber ich definiere Freundschaft etwas anders. Nunja. Jedenfalls meinte er, er sei dortunddort und er sei gestürzt. Ob ich ihn abholen könnte.
Ich versprach ihm, sofort loszufahren, gab aber zu Bedenken, dass er vielleicht besser einen Notarzt rufen sollte. Er flüsterte: Die finden mich nicht. ???
Nun, ich fand ihn auch nicht. An besagter Kirche und in deren Nähe war niemand. Ich rief ihn an, um seinen genauen Standort zu erfahren. Da meinte er, er hätte jetzt die Polizei angerufen, damit sie ihn finden. Sie hätten die besten Möglichkeiten. Das mag wohl stimmen. Trotzdem wollte ich nichts unversucht lassen und zumindest einmal die Kirche umrunden. Dabei stellte ich fest, dass das Tor zum Kirchgarten nicht abgeschlossen war und ging hinein.
Das hätte ich mir mal nicht träumen lassen, dass ich im Schein eines abnehmenden Mondes allein über einen einsamen Friedhof wandere, um einen verunfallten Menschen zu finden. Angst hatte ich keine, ich bin an sich kein ängstlicher Mensch. Einmal erschrak ich allerdings vor meinem eigenen Schatten. Ansonsten war da niemand, auch nicht der Gesuchte.
Im Nachhinein überlegte ich, was gewesen wäre, hätte mich dort jemand gesehen und vielleicht zur Rede gestellt, was ich da will. Dass ich auf der Suche nach einem verunfallten Bekannte war, hätte bestimmt recht seltsam geklungen, um nicht zu sagen, unglaubwürdig.
Glücklicherweise begegnete ich niemandem.
Am nächsten Vormittag bei Sonnenlicht stellte sich die gesamte nächtliche Aktion als riesengroßer Irrtum heraus.
Nun, immerhin war ich nachts allein auf einem Friedhof. Wer kann diese Erfahrung schon für sich verbuchen?