Oktobernotizen – 17. 10. 2023

Es ist bereits Dienstag und ich zähle die Stunden bis Freitag Mittag. Weil jedoch der Montag so ein vollgepackter, verrückter Tag war, möchte ich dazu noch etwas vermerken.

Montag
Wie immer begann die Woche um 4:45 Uhr nach dem Weckerklingeln. Und dann stand der Tag unter einem schlechten Stern. 14 Uhr wollte der große Chef sich mit dem Vermieter unseres Objektes treffen und festlegen, wie wir die Bude beräumen und vorrichten müssen. Mir grauste vor dem Termin. Und am Ende wurde genau das festgelegt, wovor ich den meisten Horror hatte: ICH muss mich darum kümmern, dass alles ausgeräumt wird. Ich muss, ich muss, ich muss. ICH habe es SATT.
Von da raste ich heim und zur Mutti. Der Sohn wollte mitkommen, ich wollte auf ihn warten, aber er kam ewig nicht. Also ging ich doch allein hin. Er fragte mich, ob ich mich scheue, da zu klingeln. Ja! Tue ich! Warum denn? Aus Gründen!
Kurz vor 18 Uhr setzten wir die Mutti an den Abendbrottisch.
Die SchwieTo kam zum Auto, weil sie mir noch etwas geben wollte. Inzwischen rief der Jürschn an.
Ich raste heim. Die gestern nass geregnete Wäsche war nun endlich trocken, also rein holen und dann endlich Teewasser aufsetzen.
Inzwischen war es 18.55 Uhr. Da klingelte das Telefon. Die Mietervertreterin aus Muttis WG. Ob ich Fragen hätte. Eher nicht, ich kenne die Frau nicht mal. Am Sonntag, den 29. Oktober treffen sich alle bevollmächtigten Angehörigen der WG-Mieter um 13 Uhr zu einer Beratung und fröhlichem Beisammensein. Klasse Termin. Zerreißt mir mein 4-Tage-Wochenende auf das Trefflichste. So richtig schön mittendrin. Da kann man vorher nichts anfangen und hinterher auch nicht mehr. Reicht doch schon, dass der Jenaer am Samstag arbeiten muss. *grrrrr*
Dann erzählt sie mir von ihrem Vater, der auch in der WG lebt und dass sie ihn nur einmal in der Woche besucht.
19.33 Uhr Das Telefonat ist endlich beendet, das Teewasser ist inzwischen vollständig verkocht. Ich setze neues an und gieße den Tee auch noch auf. Nicht dass wieder was dazwischen kommt.
Die Schwester fragt an, ob ich daheim bin.
19.50 Uhr Ich muss endlich aus den Kompressionsstrümpfen raus. Eine Minute später ruft Jürschn an. Wieder eine Minute später ruft der Sohn an. Ich vertröste den Jürschn und rufe den Sohn zurück und danach gleich nochmal den Jürschn.
Danach endlich widme ich mich dem Montagsstarter, obwohl ich dafür schon fast zu müde bin.
20.47 Uhr Damaris ruft an. Wir planen Weihnachtsmärkte. Ich werde nicht ganz schlau daraus, sage aber trotzdem zu. Ein ganzes Wochenende, einschließlich Freitag. Vielleicht mag der Jenaer ja mitkommen.
21.46 Uhr Ich veröffentliche endlich den Montagsstarter und trinke ein Glas Tee.
Dann überlege ich, ob ich in Jena anrufe. Auch wenn es schon spät ist, muss ich da nicht lange überlegen. Ich möchte einfach mal kurz seine Stimme hören. Das tut gut.

Dienstag
Der Tag nervt. Mir geht es nicht gut und es graust mir etwas davor, am Nachmittag zur Mutti zu müssen. Nicht wegen der Mutti, sondern wegen aller Umstände. Und zur Ruhe komme ich leider noch lange nicht.
Davon erzähle ich später.

Oktobernotizen – 15. 10. 2023

Sonntag
Es ist, bis auf drei Ausnahmen, mein erster wirklich entspannter Sonntag seit Jahren.
Die drei Ausnahmen waren der 9. April diesen Jahres, als Mutti ihren 90. Geburtstag hatte und wir in Familie verreist waren. Das war sehr schön. Nachzulesen hier.
Der zweite entspannte Sonntag in diesem Jahr war der 3. September, als ich bei Dani Halbes-Jahrhundert-Party im Wald war und bei der Fahrt dorthin alle meine Alltagssorgen daheim zurückgelassen hatte. Das Waldfrieden-Camp war so etwas wie ein geschützter Raum, in den der ganze Mist und Stress und das alles keinen Einlass fand. Erwähnt habe ich das hier, wo es auch zwei Fotos gibt.
Und der dritte feine Sonntag war der 24. September, den ich hier erwähnt habe, der aber leider gruselig endete.
Nun heute…
Ich habe ausnahmsweise bis 7:45 Uhr geschlafen. Nach dem Aufwachen hatte ich das beruhigende Gefühl, die Mutti gut versorgt zu wissen. Zu dieser Zeit war sie wahrscheinlich schon frisch gemacht und schön angezogen und auf dem Weg zum Frühstück. Sie hatte sich dafür Brötchen gewünscht und der Pfleger meinte, Brötchen gäbe es vielleicht nicht. Aber die Pflegerin, die noch da war, weil sie die Mutti {und mich} abgeholt hatte und die für das heutige Frühstück zuständig ist, meinte, sonntags gäbe es auch Brötchen.
Am Nachmittag gehe ich hin und bringe ihr noch Kleidung und verschiedenes, was derzeit noch auf der Leine hängt. Und der Sohn will auch hinkommen und noch ein Schränkchen und diverse Kleinteile bringen.
Hier in meiner Wohnung klar Schiff zu machen, wird noch eine Weile dauern, aber da der große Druck der Pflege von mit abgefallen ist, bekomme ich das auch wieder geregelt.
Ich könnte hier jetzt noch ewig weiterschwatzen, aber ich hab ja noch bissel zu tun.
Also dann bis später.
Habt alle einen feinen Sonntag.
Eure Mira

Oktobernotizen – 10. 10. 2023

Gestern
Auf dem Heimweg machte ich Halt bei einem Möbelhaus. Ich fand auch ein ganz tolles Bett, so wie ich mir das vorgestellt hatte. Nur leider gab es das nicht in 90 x 200, sondern ab 140 x 200 aufwärts. Tja, dann eben nicht. Ich fand eine Alternative, behielt mir aber Bedenkzeit bis zum nächsten Tag vor.
Mit dem Sohn traf ich mich im Garten. Ihm gefiel die Alternative gar nicht, so dass wir online auf die Suche gingen und ein Bett fanden, das uns beiden gefällt. Das werden wir am Donnerstag abholen.
Es regnete schon den ganzen Tag wie aus Eimern. Mir tat es unglaublich gut, wenigstens für eine kleine Weile im Garten zu sein. Der Draußenmensch in mir fühlt sich in den letzten Wochen sehr eingesperrt. So ist gerade der Aufenthalt im Freien bei diesem ungemütlichen Herbstwetter für mich ein wahrer Genuss.
Nachdem wir alles besprochen und abgestimmt hatten, fuhr ich zur Mutti.
Ich habe mir eine Schnitte mit Banane genommen.
War denn der Pflegedienst nicht da?
Da muss ich mal überlegen.
Es war natürlich jemand da gewesen, sogar eine ganz besonders Liebe, die später noch einmal wieder kam wegen der Tabletten.
Ich hab sie gefragt, ob sie Pudding kochen kann. Aber sie hat gesagt, sie kann das nicht.
Klar, für solche Sonderwünsche haben die Pflegekräfte keine Zeit. Das bleibt für mich, aber die Mutti wollte dann doch lieber ein Schnittchen mit Lachsfleisch. Hach ja.
Dann kochte ich das Mittagessen für den nächsten Tag, sammelte die Wäsche ein und den Müll. Fällt ja jeden Tag was an.
Endlich daheim, schickte ich dem Sohn einen Text, er möge bitte anrufen, wenn er heim will, weil ich Nachrichten vermutlich nicht mehr mitbekomme. Ich war sooo müde.
21.30 Uhr war ich dann endgültig zu Hause. Glaubt nicht, dass ich da noch viel hinbekommen habe. Zwei Würstchen machte ich noch warm, aß nur eins und las noch ein Weilchen.

Heute
{10.10.2023}
Ich wollte mich mit dem Sohn bei der Mutti treffen. Tatsächlich fuhr ich nach der Arbeit zum Garten, um ihn abzuholen. Ich musste ein Weilchen warten, weil er noch bei einem Freund die Laube von innen verputzte und die Arbeit nicht unterbrechen mochte. So saß ich ein Weilchen vor der Laube im Regen. Das feuchtkalte Wetter tat meiner Seele gut. Diese nämlich fühlte sich sehr geschunden an, weil mir an diesem Abend die unliebsame Aufgabe bevor stand, mit der Mutti zu reden und ihr zu erklären, was wir mit ihr und für sie vor haben.
Sie war an dem Abend sehr wach und aufmerksam, und als ich ihr alles erklärt hatte, meinte sie Na, dann müssen wr das eben so machen.
Von da an saß sie aber, wie ein Häufchen Elend auf ihrem Platz und starrte vor sich hin. Und als ich sie streichelte und ich sagte, dass ich sie lieb habe, fauchte sie: Das nutzt mir jetzt auch nichts mehr!
Später brachte ich sie ins Bett, und als ich bereits draußen auf der Treppe meine Schuhe anzog, kam sie noch einmal an die Wohnungstür, lächelte mich an uns sagte: Ich danke dir für alles.
Mir lieb es eiskalt den Rücken hinunter. Es klang so sehr nach Abschied.

Oktobernotizen – 05. 10. 2023

Erst als ich am Morgen im Büro den Kalender umstellte, fiel mir auf, dass heute der 5. ist.
Und was liegt an jedem 5. eines Monats an? Richtig!
WmdedgT – im Oktober
Was machst du eigentlich den ganzen Tag?
Tja, schaun wir mal.
4:45 Uhr
Der Wecker reißt mich aus einem kunterbunten aber irgendwie negativen Traum. Ich taumle ins Bad und breche ohne Anlass in Tränen aus.

5:25 Uhr
Es hat schon was, wieder im eigenen Auto zu sitzen und Richtung OZ zu fahren. Zug wäre mir lieber, weil mein Magen rebelliert und es mir auch sonst nicht gut geht, aber ich habe heute noch etwas mit GabhÄu in der Stadt zu erledigen, und ich kann nicht von ihr verlangen, dass wir das zu Fuß machen.

7:25 Uhr
Die Mitarbeiterinnen stehen zu dritt vor der Tür. Ich war so vertieft in Bürokram, dass ich beinahe vergessen hätte, sie einzulassen. Sie sind sehr besorgt um mich, weil ich offenbar so belämmert aussehe, wie ich mich tatsächlich fühle. Ich koche eine Kanne Tee, in der Hoffnung, dass es mir danach vielleicht etwas besser geht.

8:30 Uhr
Ich hole GabhÄu ab und mit ihr gemeinsam mein Wollepaket.
Die frische Luft tut mir gut.
Der Bekannte "vom Friedhof" ruft an und will mir ein neues Projekt vorschlagen, bei dem ich seine Geschichten vorlesen soll. Wenn du da nur zwei, drei Euro Eintritt nimmst, wird das bestimmt ein Erfolg. Er wird zum Glück abgelenkt, so muss ich ihm nicht sagen, dass ich seine Projektplanung zum jetzigen Zeitpunkt für ein Hirngespinst halte. Er soll erst mal wieder gesund werden.

12:10 Uhr
Eine Recherche ergab, dass ich für die Mutti möglicherweise ein Zimmer in einer Senioren-WG ergattern kann. Für einen Besichtigungstermin soll ich in Kürze einen Rückruf erhalten.
Fortan schleppe ich das Telefon sogar mit zur Toilette, weil ich den Anruf keinesfalls erpassen will.
Bis 15:30 Uhr erfolgt er leider nicht.
Ich packe die großen Wollekisten ins Auto. Wenn ich es schon dabei habe.

16:30 Uhr
Der Rückruf: Ich wollte Ihnen nur Bescheid sagen, damit Sie nicht denken, wir hätten Sie vergessen. Die Chefin ruft sie später selbst an, ist aber im Moment noch unterwegs. So etwa in einer Stunde.
Das ist aber lieb.

17:30 Uhr
Die Mutti schaut mich mit großen Augen an: Ich habe noch nichts zu essen bekommen.
Aber das Mittagessen hast du bekommen?
Ja, aber das hat nicht geschmeckt. Das war furchtbar.
Oh weh, was soll ich ihr nur immer vorsetzen?
Nudeln meint sie, die könnte sie jeden Tag haben. Wenn ich das machen würde, steigt mir der Pflegedienst aufs Dach, weil ich die Mutti zu einseitig versorge. Die haben immer was zu keckern.

18:45 Uhr
Endlich kommt der Pflegedienst. Der Mutti habe ich inzwischen längst Abendessen gemacht und sie hat brav ihre 2 Schnitten gefuttert. Wenn ich ihr Reiterchen mache, isst sie die auf. Sonst würde sie nach einer Schnitte streiken. 😉
Mein Rückruf kommt und ich bekomme einen Besichtigungstermin für Freitag 15 Uhr. Hoffentlich klappt das alles.
Die Mutti ist erstaunlich wach heute. Deshalb setze ich sie auf die Couch und schalte ihr die Flimmerkiste ein.
Ich sammle die Wäsche ein und das Leergut und nehme den Müll mit.
Auf dem Heimweg halte ich neben einem Wäldchen, weil ich einfach noch ein wenig draußen sein möchte und rufe den Sohn an. Erzähle ihm von meinen Erfolgen mit der Mutti und frage ihn, ob er zur Besichtigung mitkommen möchte. Er möchte!
Und wegen des Wochenendes reden wir noch mal, das kriegen wir irgendwie hin.
Ach nö, ich sage für diese Woche ab. Das nutzt jetzt ja nix. Als ich dem Sohn diese Antwort gebe, habe ich ein mulmiges Gefühl.

20:00 Uhr
Es ist noch etwas früh, aber weil der Jenaer sich schon ein paar Tage nicht gemeldet hat, rufe ich ihn an. Es ist kein gutes Gespräch. Die für mich traurige Nachricht, dass der Pflegedienst mich am Wochenende hängen lässt und ich deshalb nicht zu ihm kommen kann, kommentiert er mit: Ich hätte sowieso keinen Nerv für dich.
Was ist denn das bitte für eine Antwort? Ja, wir haben uns von Anfang an ausgemacht, uns ehrlich zu sagen, wenn es mal nicht passt. Aber so? Wie passt denn das zu der Aussage vom letzten Wochenende, als es noch hieß: Ich habe selten einem Menschen so sehr vertraut, wie dir. Also, wahrscheinlich noch nie.
Was ist inzwischen geschehen? Was habe ich mir zu Schulden kommen lassen? Dass ich mich um meine Mutti kümmere? Das kann es nicht sein!
Und warum, warum habe ich blöde Kuh wieder jemandem vertraut? Ich hätte es doch besser wissen müssen!
Immerhin, sein Umzug ist ja nun erledigt, wobei ich ihm nach Kräften geholfen hatte.

21:00 Uhr
Ich bekomme heute nichts mehr geregelt. Ich bin unendlich traurig und weine mich in den Schlaf.

In früheren Jahren
Oktober 2022

Oktobernotizen – 04. 10. 2023

Seltsam – Seltsam
Es war Montag, der 2. Oktober. Das Thermometer kletterte auf 29°C. Es war kein stino Montag, denn wegen des bevorstehenden Feiertages hatte ich für den Brückentag einen Tag Urlaub beantragt. Ursprünglich hatten wir in Familie ans Meer fahren wollen, doch die Mutti war schwer unpässlich, so dass Sohn und SchwieTo ohne uns fuhren und damit unsere Plätze nicht verfallen, ein befreundetes Pärchen mitnahmen.
Ich hatte mir zumindest einen Urlaubsmorgen herausgewirtschaftet, indem ich der Mutti zwei feine Frühstücksteller in den Kühlschrank gestellt und mich für die morgendliche Versorgung auf den Pflegedienst verlassen hatte. So konnte ich es ein klein wenig ruhig angehen lassen und dann einigen Papierkram und ein paar Wege erledigen.
Bevor ich alles hatte erledigen können {das meiste ohnehin für Mutti}, kam der Suchruf, ausgelöst durch den Pflegedienst auf Geheiß der Mutti: Du lässt dich ja überhaupt nicht mehr bei mir sehen. So brachte sie das den Pflegerinnen rüber, die ihr natürlich erst einmal glaubten. Dass ich beispielsweise den ganzen Sonntag bei ihr verbracht hatte und nur durch Mach mal dies, ich möchte jenes innerhalb ihrer kleinen Wohnung auf 7000 Schritte gekommen war, bleibt unerwähnt. Ist ja auch nicht wichtig, dafür hat sie mich schließlich.
Ich kann die Wut verstehen, die manche Pflegende auf ihre Pfleglinge entwickeln. Ich bin auch wütend, allerdings nicht auf die Kleine Frau, sie kann ja nichts dafür, aber auf die gesamte Situation. Und darauf, dass ich mit der Betüddelung überfordert bin. Warum bekomme ich das nicht besser hin? Vermutlich, weil ich durch das ewige Herumgeschubse die lange Zeit vorher schon so ausgelaugt bin, dass ich jetzt, da es wirklich drauf ankommt, keine Kraft mehr habe.
Ich nahm mich schwer zusammen, um nach dem Hilferuf nicht gleich alle Aktivitäten abzubrechen und sofort zu ihr zu springen. Nach tiefem Durchatmen brachte ich meine Erledigungen zu Ende und fuhr dann zur Mutti.
Ich habe Hunger.
Ja, ich koche dir was.
Ich möchte Schnitte, du machst die immer so schön zurecht.
Der Blick in den Kühlschank belehrt mich, dass sie ihren zweiten Frühstücksteller gar nicht angerührt hat.
Den habe ich nicht gefunden! Oha.
Ach, und der Pflegedienst war auch nicht da. Und wer hat mich vorhin angerufen?
Nachdenkliche Stille.
Später am Abend darf ich nach Hause. Ich habe gar nicht so viel gemacht, zumindest habe ich das Gefühl, überhaupt nichts geschafft zu haben, aber ich fühle mich ausgelaugt, wie nach einem Tag im Steinbruch. Entsprechend bekomme ich auch daheim nichts mehr geregelt. Ist ja auch egal. Schließlich ist morgen Feiertag. Da kann ich ja noch bissel herumwirbeln.
Gegen 22.00 Uhr erreicht mich der Anruf eines guten Bekannten. Er betrachtet sich als mein Freund, aber ich definiere Freundschaft etwas anders. Nunja. Jedenfalls meinte er, er sei dortunddort und er sei gestürzt. Ob ich ihn abholen könnte.
Ich versprach ihm, sofort loszufahren, gab aber zu Bedenken, dass er vielleicht besser einen Notarzt rufen sollte. Er flüsterte: Die finden mich nicht. ???
Nun, ich fand ihn auch nicht. An besagter Kirche und in deren Nähe war niemand. Ich rief ihn an, um seinen genauen Standort zu erfahren. Da meinte er, er hätte jetzt die Polizei angerufen, damit sie ihn finden. Sie hätten die besten Möglichkeiten. Das mag wohl stimmen. Trotzdem wollte ich nichts unversucht lassen und zumindest einmal die Kirche umrunden. Dabei stellte ich fest, dass das Tor zum Kirchgarten nicht abgeschlossen war und ging hinein.
Das hätte ich mir mal nicht träumen lassen, dass ich im Schein eines abnehmenden Mondes allein über einen einsamen Friedhof wandere, um einen verunfallten Menschen zu finden. Angst hatte ich keine, ich bin an sich kein ängstlicher Mensch. Einmal erschrak ich allerdings vor meinem eigenen Schatten. Ansonsten war da niemand, auch nicht der Gesuchte.
Im Nachhinein überlegte ich, was gewesen wäre, hätte mich dort jemand gesehen und vielleicht zur Rede gestellt, was ich da will. Dass ich auf der Suche nach einem verunfallten Bekannte war, hätte bestimmt recht seltsam geklungen, um nicht zu sagen, unglaubwürdig.
Glücklicherweise begegnete ich niemandem.
Am nächsten Vormittag bei Sonnenlicht stellte sich die gesamte nächtliche Aktion als riesengroßer Irrtum heraus.
Nun, immerhin war ich nachts allein auf einem Friedhof. Wer kann diese Erfahrung schon für sich verbuchen?