Ein Dienstag Ende Mai

{28.05.2024}
Was ist bloß los mit mir?
Oder sollte ich besser fragen, was ist nur aus mir geworden? Ein unzufriedenes altes Weib, dem nichts mehr recht ist? Das immer nur nörgelt und meckert? Wann bin ich so geworden und warum?
Seltsame Fragen. Ich sollte wohl erst einmal meine Gedanken sortieren.
Also: wo fange ich an?
Am besten bei heute Nachmittag, als ich mich mit einem Mitstreiter über Gedanken und Geschichten unterhielt und er mir erzählte, dass er gern reimt. Ja, für solche Gespräche muss Zeit sein. Man kann nicht verlangen, dass die Menschen jeden Tag und unablässig volle Leistung bringen. Es muss Pausen geben, man muss verschnaufen und zwischendurch mal an etwas völlig anderes denken dürfen. In meinem Bis-Mitte-März-Job war das nicht nur möglich, da gehörte es sogar zu meinen Aufgaben, für diese Ablenkung zu sorgen und die Leute ganz absichtlich aus ihrem Alltagstrott heraus zu holen. Hier ist das… nunja.
Ich kam auf die Idee, ihm einen meiner Texte zu zeigen, den einzigen, von dem ich wusste, dass ich ihn von hier aus finden würde. Diesen.
Und dann las ich mich fest, zuerst im August 2020, dann noch im Juli 2020. Dabei stellte ich drei Dinge fest:
1. Ich schrieb damals viel schönere Blogeinträge, so richtig in diesem Tagebuchstil, den ich sehr mag, aber zur Zeit nur noch am 5. eines Monats anwende.
2. Ich schrieb damals auch deutlich mehr Blogeinträge.
Und 3. Ich fuhr zur Arbeit nach Weißwasser und nach Cottbus und hatte meine Freude an diesen Jobs. Das frühe Losfahren am Montag machte mir nichts aus. Der Chef, dessen Entscheidungsfreude ich damals gelobt hatte, weil mir dadurch die Arbeit erleichtert wurde, ist derselbe, der jetzt dauernd an mir herum nörgelt. Wobei, so ganz stimmt das nicht {das sollte ich jetzt vielleicht lieber nicht schreiben}: Seit er mich am Donnerstag wegen der Angebote so rund gemacht hatte, ist nichts Schlimmes mehr passiert. Nachdem ich das jetzt geschrieben habe, kann es natürlich sein, dass morgen gleich wieder die Welt einstürzt. Hoffen wir’s mal nicht.
Was also hat sich verändert? Was hat mich verändert?
Nun ja, der Job ist jetzt doch ganz anders geworden. So, wie ich ihn vor 4 Jahren ausgeführt habe und wie ich dachte, dass es immer noch wäre, so darf ich ihn nicht mehr machen. Ich soll mich ausschließlich um den Vertrieb kümmern, nicht mehr um die Menschen, die hier lernen sollen/wollen. Schon gar nicht mehr um den Unterricht. Das machen wir jetzt alles virtuell. Ähm, ja, aber die Menschen, die uns hier anvertraut sind, die können teilweise mit virtuellen Klassenzimern und wochenlangem Selbststudium nicht umgehen. Die möchten an die Hand genommen werden. Das war immer meine Stärke, dass ich die Menschen da abgeholt habe, wo sie standen. Jeden Einzelnen. Deshalb war ich erfolgreich. Deshalb war ich beliebt, sowohl bei Teilnehmern als auch bei Auftraggebern. Weil ich unter anderem Leute durch Prüfungen gebracht habe, von denen kaum jemand, auch sie selbst nicht, gedacht hätte, dass sie das schaffen. Wer selbst schon mal unterrichtet oder gecoacht hat, weiß, welch tolles Gefühl das ist, ehemalige Schüler zu treffen und von ihnen zu hören: Ich habe inzwischen dieses und jenes erreicht, weil Sie mir damals geholfen haben. Das ist der Job, der mir liegt, den ich gern mache, weil ich weiß, dass ich ihn gut mache. Hier und jetzt ist das nicht mehr gewollt. Hier geht es nur um Zahlen, um Verkauf. Warum haben Sie den beiden Leuten keinen zusätzlichen Vorabkurs verkauft? Weil dieser Kurs noch nicht einmal genehmigt ist und sie somit im Mai nicht mehr hätten beginnen können. Aber es ist unser Geld. Sie haben vier Wochen verschenkt, und das auch noch zweimal. Ja, ich bin schlecht in diesem Job. Ich bin kein Vertriebler, noch nie gewesen. Es gibt Menschen, die können am Nordpol Kühlschränke verkaufen. Mein Sohn ist so jemand. ICH kann das nicht.
Kennt ihr das Peter-Prinzip? Man sagt, dass es überwiegend auf Männer zutrifft, aber wenn ich mir das Beispiel ansehe, ist das haargenau das, was ich eben für meinen Job beschrieben habe.
Soviel also zum Job und warum mir jetzt die Begeisterung von vor vier Jahren völlig abgeht.

Und sonst?
Was ist anders geworden? Warum gelingt es mir nicht mehr, so schöne Blogeinträge zu schreiben? Erlebe ich nichts Schönes mehr weil ich noch immer völlig fremdbestimmt lebe? Jetzt durch den Job und ein bissel durch den Jenaer. Oder liegt es an dieser ewigen Abgeschlagenheit, daran dass ich nach Feierabend völlig breit bin und nix mehr auf die Reihe bekomme? Nun, das kann ich ja testen. Ich kann ja mal wieder anfangen, diese Tagebuch-Blogeinträge zu schreiben. Nicht gleich jeden Tag aber vielleicht mal einen Tag die Woche. Vielleicht sehe ich da ja das eine oder andere Schöne, dass mir sonst abhanden gekommen wäre.

Und warum…?
Ja, warum heißt dieser Blogeintrag nun Ein Dienstag Ende Mai? Weil es in vielgerühmten Jahr 2020 schon einen Eintrag gab, der auch so hieß. Dabei haben all diese Betrachtungen heute gar nichts mit diesem Tag zu tun, außer, dass ihr Auslöser jenes Gespräch am Nachmittag war. *hüstel*
Dabei hätte es heute durchaus etwas zu bereichten gegeben.

2 Gedanken zu “Ein Dienstag Ende Mai

  1. oh wei..
    in so einem unpersöhnlichen Klima würde ich mich auch nicht wohl fühlen
    nur Geld Geld Geld..
    wo bleibt da die Menschlichkeit??
    Das kann einen ganz schön runter ziehen
    Vielleicht solltest du mal auf die Suche nach etwas Neuem gehen??
    Ich wünsche dir trotzdem (besser gerade deswegen ) viele schöne Augenblicke
    Rosi

    1. Liebe Rosi,
      deine Worte tun mir gut.
      Und ja, ich bin auf der Suche nach was Neuem. Nach solchen Jobs, wie ich sie bisher hatte. Was mit Menschen. Coaching oder Betreuung. Oder gern auch wieder Unterricht, der inzwischen Training heißt. Ich werde etwas finden.
      Und die schönen Augenblicke, ja, die finde ich bestimmt auch.
      Liebe Grüße
      Mira

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