…bin ich.
Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Eintrag schreibe. Ich habe auch in den vergangenen Wochen schon den einen oder anderen Beitrag angefangen und dann doch wieder verworfen. Am Donnerstag habe ich mich so sehr geärgert, dass ich doch etwas dazu schreiben wollte, habe dann aber lieber doch noch mal ne Nacht drüber geschlafen, soweit ich schlafen konnte. Mein Ärger ist aber noch immer nicht verraucht. Vielleicht, wenn ich mir das Ganze von der Seele geschrieben habe.
Ich war schon immer eher links. Nicht unbedingt rot-links, eher grün-links. Und ich mag es bunt im Sinne von multikulturell.
Zu uns in die Firma kommen die verschiedensten Menschen, um zu lernen und zu arbeiten. Sie kommen von überall her, aus Albanien, Algerien, Bolivien, Brasilien, Bulgarien, Deutschland, Estland, Iran, Kroatien, Libanon, Rumänien, Russland, Syrien, Ungarn, um nur einige zu nennen. Bestimmt habe ich ein paar Länder vergessen, was aber keine Wertung darstellen soll. Um all diese Menschen kümmere ich mich im Rahmen meines Jobs, um manche intensiver, wenn sich sprachliche Probleme auftun. Für all diese Menschen gelten auch die gleichen Regeln, deren Einhaltung ich auch einfordere. Es ist eben eine Regel, dass man pünktlich zum Arbeitsbeginn um 8 Uhr erscheint, Pausenzeiten einhält und bis zum Feierabend um 15 Uhr bleibt. Und wenn das jemand wiederholt nicht hinbekommt, wird er darauf auch angesprochen, wird dafür er- und wenn das nicht fruchtet auch abgemahnt. Das macht dann die Lieblingskollegin.
Nun haben wir seit einer Weile einen jungen Mann, der seinen eigenen Angaben zufolge mal aus Syrien und mal aus dem Libanon stammt, der behauptet, keine Religion zu haben, aber einerseits Kreuze an die Fenster hängt, andererseits überall um sich herum Symbole anderer Religionen verteilt. Das alles wäre unerheblich, denn er wird nicht nach seiner Herkunft und auch nicht nach seine Religion beurteilt und behandelt, sondern nach seinem Verhalten.
Nicht egal war mir hingegen, dass er ständig ein T-Shirt trug, auf dessen Rücken zu lesen war: Euer Hass macht mich stolz! Nicht egal war mir, dass er in sehr bösem Tonfall den Kollegen "ein ganz schwarzes Wochenende" wünschte. Es hat ihn niemand diskriminiert. Es war aber auffällig, dass er seinerseits immer wieder provozierte, vermutlich um irgend eine negative Reaktion herauszuforden, auf die er sich dann berufen kann und behaupten, diskriminiert zu werden.
Er kam statt 8 Uhr erst mittags, und wenn ich ihn fragte, wo er denn gewesen sein, hieß es, er habe mal ausschlafen wollen. An anderen Tagen ging er zu Mittag mit der Begründung, er sei jetzt müde und wolle sich hinlegen. Er zündete auf seinem Schreibtisch Kerzen an {ohne Kerzenhalter, einfach so, mitten zwischen Lehrbüchern und Heftern}. Als wir ihn darauf hinwiesen, dass dies schon allein aus Gründen des Brandschutzes nicht gestattet ist, meinte er, er werde sich nicht an unsere Regeln halten, denn das seien dumme Regeln und im übrigen gelten sie für ihn ohnehin nicht, da er kein Deutscher sei. Am Donnerstag kam er um die Mittagszeit und meinte, er werde jetzt heim gehen, denn er könne nicht mehr mit den anderen in einem Raum sitzen. Es wäre dies überhaupt kein Raum, in dem er sitzen könne, weil hinter seinem Platz jemand vorbei gehen könne und das könne er nicht leiden. Und auch Dozenten könnten auf seinen Bildschirm schauen und davon fühle er sich bedroht.
Und dann kam das, worüber ich mich so aufrege: Behauptet dieser Typ, um den ich mich immerzu bemüht habe, dem ich versucht habe zu erklären, warum er sich an gewisse Regeln einfach halten muss, dem ich immer wieder mit Ruhe und Freundlichkeit begegnet bin, trotz seiner ständigen Provokationen und selbst nachdem er eindeutig Drohungen gegen mich ausgesprochen hatte {seine Zeit werde kommen und auch ich werde das noch begreifen, aber dann sei es zu spät für mich}… behauptet dieser Typ, ich sei fremdenfeindlich und ein Nazi.
Mir fehlen die Worte.
Ich dachte schon tagelang, es wär was Schlimmes 😉 Hey, Mira, willkommen im Club!
Im ernst, dein Eintrag hätte Wort für Wort von mir selber stammen können: Die eigene politische Einordnung, der Umgang mit Menschen als Individuum, die Liebe der Vielfalt und des Bunten – und dann das. Der Unterschied zwischen uns beiden ist lediglich der, dass ich mich mit solchen irren Vorwürfen bereits abgefunden habe.
Wenn ich im Folgenden von „wir“ und „uns“ schreibe, meine ich die Allgemeinheit, nicht dich und mich persönlich. Es ist halt leichter damit zu erklären, was gemeint ist. Ich bitte um Nachsicht.
Linke Leute, vor allen Dingen die jungen, glauben heute tatsächlich, alle, die nicht so seien wie sie selber, seien rechts. Das ist das Eine. Diese beschränkte räumliche Sichtweise wächst sich mit zunehmender Lebenserfahrung wohl aus. Temporäre Dummheit könnte man sie nennen.
Das andere ist das genaue Gegenteil. Viele Zuwanderer sind natürlich clever und haben längst erkannt, wo unser wunder Punkt liegt. Sie wissen haargenau, mit welchen wenigen Worten sie uns auf die Palme bringen und daraus ihre Vorteile ziehen können. Aus Sorge, nicht als Rassist oder als rechts zu gelten, überhaupt bereits einem solchen Vorwurf im Vorfeld auszuweichen, gewähren wir ihnen Freiheiten, die wir keinem anderen Menschen sonst gewähren würden. Dass sie dieses Verhalten von uns ausnutzen, ist nicht verwunderlich, auch nicht schlimm, denn würden wir uns in einer ähnlichen Lebenssituation befinden, machten wir es wahrscheinlich genauso – das zeigt aber eigentlich unseren eigenen Fehler, nämlich einer unangebrachten Nachsicht, um bloß jeder Konfrontation aus dem Wege zu gehen, um bloß nicht im falschen Licht dazustehen.
Nochmal dasselbe in anderen Worten: Wir haben tatsächlich die größte Angst vor den eigenen Biodeutschen, davor dass sie auf uns mit den Fingern zeigen und „du Nazi“ rufen. Dieser Vorwurf ist für uns so dermaßen absurd und ungerecht, da wir doch gerade von uns selber genau wissen, dass wir eben nicht so sind, dass wir gut und gerecht sind. Ein solcher Vorwurf verletzt uns dann bis ins Mark, und deshalb gewähren wir dem Gegenüber sofort alles und viel mehr, sobald die Rassisten-Karte gezogen wird. Das eigentliche Problem liegt aber bei uns. Wir wollen liebe Kinder sein und können nicht mehr gerecht sein. Wir scheuen jede noch so kleine Konfrontation. Deshalb wird uns auf der Nase herum getanzt.
Ich habe den Eindruck, das ändert sich gegenwärtig. Jeder Mensch hat bekanntlich einen Punkt, an dem er erkennt, ausgenutzt und verar***t zu werden. Es ist der berühmte Tropfen, der ein Fass zum Überlaufen bringt. Beim einen setzt dieser Punkt früher ein, beim anderen später, aber grenzenlos ist unsere Geduld nicht. Ist einmal dieser Punkt erreicht, reagieren viele oft über und andere fragen sich, weshalb nun mit einer solchen Vehemenz. Dass wir bereits jahrelang Dinge geschluckt haben, ruhig geblieben waren und dumm – dumm, da wir selber wussten, falsch gehandelt zu haben aber aus den zuvor genannten Gründen eben nicht anders handeln konnten oder wollten – das, also diese Ursachen für eine solche Vehemenz (auf die Straße gehen, die Empörung hinausschreien usw.) wird dann in der Bewertung vergessen und der Vorwurf der „marschierenden Nazis“ wird gegen uns erst recht erhoben. Es hilft alles nichts, wir müssen da durch. Jede Rechtfertigung ist eigentlich überflüssig, wir sollten (und werden) damit aufhören, uns allen und jedem anzubiedern. Man rechtfertigt sich auch nicht grenzenlos vor den eigenen Kindern. So sehr man sie auch liebt, kommt doch irgendwann der Punkt, an dem man ihnen sagt: „bis hierher und nicht weiter. Basta!“.
Ich hoffe, du verstehst mich nicht falsch.
Liebe Grüße
Nein, keine Sorge, ich verstehe dich bestimmt nicht falsch. Im Grunde ist genau das, was du über die „Dummheit“ gesagt hast, der Hauptgrund, weshalb mich diese ganze Sache so aufgeregt hat und ich das so sehr mit mir herum geschleppt habe. Gern hätte ich ihmn vernünftige Argumente entgegen gehalten, aber unser Chef hat Angst, dass die Firma als fremdenfeindlich in Verruf kommt.
Ich habe allerdings, weil es mich so beschäftigt hat, auch Kollegen in einer anderen Abteilung davon erzählt und der eine meinte, das kennt er, aber er steht dazu bzw. er steht drüber. So ist es ja auch bei dir. Wenn du sagst, du hast dich abgefunden, heißt das ja auch, du stehst drüber und es regt dich nicht mehr auf.
Ja, jedenfalls hat mir gut getan, was der Kollege gesagt hat und was du mir hier {und auch bei dir im Blog} geschrieben hast. Danke.
Liebe Grüße
die Mira