WmdedgT – Juni 2018

Was machst du eigentlich den ganzen Tag? Das fragt Frau Brüllen an jedem 5.
Und ich frage mich das auch und fange hier gleich mal mit der Antwort an.
00:43 Uhr
Nachdem ich erst nach zehn aus dem Garten heim kam, wollte ich unbedingt noch ein Stück stricken. Da ich aber nur einmal müde bin, und das ist immer, fürchtete ich, mit dem Strickzeug in der Hand einzuschlafen. Deshalb suchte ich mir aus der Mediathek einen kleinen Krimi und als der zu Ende war, sogar noch einen weiteren. Der war recht heiter, aber leider war er nicht klein, denn er lief 128 Minuten. Das wollte ich mir dann mitten in der Nacht und mitten in der Arbeitswoche doch nicht antun, so dass ich lieber mitten im Film unterbrach und doch ins Bett kroch.
04:02 Uhr
Mein Körper zeigt seltsame Anwandlungen, die mich zur Unzeit wecken. Eine Stunde hätte ich noch. Aber nun muss ich erst mal ins Bad und bin entsprechend munter. Also stelle ich den Wecker auf 5.25 Uhr. Dann muss ich mich zwar sehr beeilen, wenn ich mit dem Sohn im Garten noch einen Kaffee trinken will, aber schaffbar ist das.
05:25 Uhr
Als der Wecker schreit, fühle ich mich derart zerschlagen, dass ich etwas tue, was ich sonst nie tue. Ich stelle den Wecker um 10 Minuten weiter und lasse mich in die Kissen sinken.
05:34 Uhr
Jetzt bin ich wach und eile sehr, weil ich nun doch unbedingt noch in den Garten will. Der Sohn möchte, bevor ich zur Arbeit fahre, noch etwas mit mir besprechen.
Als ich meine Lesebrille suche, die ich in der Nacht am Rechner habe liegen lassen, stelle ich fest, dass sich etwas verändert hat. Dieser Brief war doch gestern Abend noch nicht da, oder? Und diese Seiten im Browser habe ich auch nicht aufgerufen. Also ist der Sohn wohl doch noch hergekommen. Nur, wo ist er jetzt?
Ich gehe nachsehen und finde ihn auf dem Sonnendeck. In Ordnung, also kann ich den Garten streichen und die gewonnene Zeit hier auf ein Gespräch und einen Guten-Morgen-Kaffee verwenden. Als ich ihm wenig später seinen Kaffee bringen will, ist der Sohn vom Sonnendeck verschwunden. Er hockt vergnügt im Wohnzimmer und lacht, weil er mich "auch schon gesucht" hat. Man stelle sich das mal vor: Wir schaffen es, in einer 42-qm-Wohnung umeinander herum zu laufen, ohne uns zu begegnen. Das will was heißen. *lach*
Wir schlürfen unseren Kaffee und bereden, was es zu bereden gibt. Für seine Unterlagen bei der Krankenversicherung nehme ich ein Foto des Sohnes auf. Vor der weißen Wohnzimmerwand macht sich das recht gut. Ich zeige es hier nicht, wegen Datenschutz und so und überhaupt. Aber es ist wirklich tauglich.
06:45 Uhr
Ich fühle mich gerade leicht überfordert. Das Grau vor den Fenstern. Die Aufgaben, die heute alle wie eine unüberschaubare Wand vor mir stehen. Das Gefühl, mich niemals ausruhen zu können, niemals Kräfte zu sammeln. Der Sohn beruhigt mich: Du schaffst das. Du hast immer alles geschafft. Und falls nicht, ruf mich an.
Ich genehmige mir eine zweite Tasse Kaffee.
07:01 Uhr
Der Sohn: Du wolltest doch vor sieben los.
Es dauert dann noch ein paar Minuten.
07:11 Uhr
Ich sitze endlich im Auto. Die alte Jolanda springt ganz brav an. Und der Stress, all das Generve fällt wie eine alte Schlangenhaut von mir ab.
07:48 Uhr
Zwar nicht so früh wie sonst, aber immer noch sehr rechtzeitig komme ich bei der Arbeit an. Beginn ist 8 Uhr.
08.00 bis 12.00 Uhr
Ich erfahre, dass ein Großteil der Arbeiten, die ich bis zum Mittag fällig wähnte, Aufschub haben bis Donnerstag.
Eine ganz liebe Kollegin bittet mich um Hilfe und schenkt mir eine Banane.
Mein Bürokram nimmt Gestalt an.
12:20 Uhr
Ich verpasse die Mittagspause und flitze schnell zum Auto, um mir wenigstens Milch für meinen Kaffee und eine Flasche Mineralwasser aus dem Kofferraum zu holen. Mein Kofferraum birgt fast immer Reseven.
12.30 bis 15.00 Uhr
Die Sonne kommt heraus und es wird drückend warm. Trotzdem gönne ich mir einen großen Pott Kaffee.
Ich erledige eine Menge Schriftkram und komme mit all meinen Aufgaben gut voran.
15:20 Uhr
Ich komme nie pünktlich raus, aber heute hat das den Vorteil, dass niemand mehr im Eingangsbereich herum hängt, um noch ein Kippchen zu rauchen, bevor er zur Straßenbahn geht. So sieht auch niemand, wie ich einen verblühten Zweig von der herrlichen gelben Rose schneide, die an der Hofecke wächst. Ich weiß, es ist nicht die richtige Zeit für Rosenstecklinge, aber werde Ende Juli keine Gelegenheit haben, hier einen Zweig zu schneiden. Also…
Minuten später suche ich bei nahe gelegenen Supermarkt ein paar Geranien für den Sohn aus. Verblüht sind sie fast alle, aber ich finde vier, bei denen man die Farbe noch erkennen kann und die schon wieder neue Knospen angesetzt haben. Sie sind extrem reduziert. Der Sohn wird sie aufpäppeln.
Dann ab auf die Autobahn, was heute noch zügiger geht als sonst. Wenn ich von der Arbeit direkt in den Garten will, fahre ich immer schon Messegelände runter, weil ich mir damit das Anstellen am Bahnübergang spare. Heute entschloss ich mich, noch eine Abfahrt früher zu nehmen und einen Abstecher zum Erdball-Markt zu machen. Dort gibt es so leckere Torten-to-Go. Außerdem fand ich einen runden Streuselkuchen, den ich unbedingt probieren wollte.
16:48 Uhr
Ankunft im Garten. Ab da habe ich nicht mehr auf die Uhr gesehen.
Ich stelle die Taschen ab und bemerke, dass ich allein bin. Auch von den Nachbarn ist noch niemand da. Also richte ich mir meinen Rückzugsplatz im Halbschatten ein, sitze da eine kleine Weile und spüre, wie ich schläfrig werde. Die arme Rose ist noch gar nicht versorgt. Also raffe ich mich wieder auf, schneide den Zweig zurecht, hole ein Foliehütchen, grabe ein Loch für die Rose. Ich habe sie gerade fertig eingesetzt und rede ihr gut zu, nun bitte auch zu wurzeln, als der Sohn ankommt. Er freut sich über die Geranien. Er freut sich über den Kuchen und setzt Kaffeewasser auf. Da kommt eine Nachbarin, die meine Krimileidenschaft teilt und bringt mir ein Buch. Wir trinken gemeinsam Kaffee, schlachten den Kuchen. Als sie geht, ziehe ich mich zurück und beginne zu lesen. Der Krimi spielt auf Hiddensee, und es hat etwas Eigenes, wenn Bücher an Orten spielen, an denen man jedes Sandkorn kennt.
Später reiße ich mich vom Krimi los, weil ich unbedingt noch ein Stück stricken möchte und bekomme immerhin die Ferse fertig.
Noch später, als die Sonne verschwunden ist, wird es feucht und kühl. Die ersten Solarlampen schalten sich ein. Ich stelle fest, dass die herrlichen Sommernächte schon wieder vorüber sind und man durchaus eine Strickjacke gebrauchen könnte. Und Socken. Ich habe beides nicht dabei, aber in meiner Stricktasche schlummert die angefangene Flickendecke. Sie hat derzeit die Breite eines Schals. Also krame ich sie hervor und wickle sie mir um den Hals. Das macht was aus. Dann bringt der Sohn mir eine leichte Decke.
Eine nach der anderen beginnen jetzt die Solarlampen zu leuchten. Ich gehe herum und fotografiere.
Dann packe ich meine Sachen zusammen und mache mich auf den Heimweg. Um diese Zeit brauche ich mich weder am Bahnübergang anzustellen, noch an der Kreuzung.
22:48 Uhr komme ich zu Hause an, und es ist immer noch nicht vollends dunkel. Herrlich.
Eine Stunde später habe ich Taschen ausgepackt, Einkäufe verräumt, diesen Eintrag zu Ende geschrieben und nun ist auch dieser 5. Juni schon fast zu Ende.

Jetzt bringe ich diesen Eintrag noch schnell zu Frau Brüllen und dann ziehe ich mich zurück.
Ich wünsche euch allen eine gute Nacht.

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