Der Wichtelkalender ist eine Enttäuschung. Die Werbung versprach hinter jedem Türchen einen kleinen Gnom. Darauf hatte ich mich gefreut. Nun verbarg sich hinter dem ersten riesigen Türchen, hinter das durchaus ein Wichtel gepasst hätte, diese hässliche winzige rot-grüne Ding aus Gummi, von dem man nicht genau erkennen kann, was es darstellen soll. Vielleicht ein Wichtelpaket?
Das erste Thema in Gabis 23 plus 1 Adventskalender hieß Flamme.
Und hier ist, was ich innerhalb von 20 Minuten zusammentippte.
Der dunkle Raum wird erhellt durch die Flamme einer einzelnen Kerze. Es ist eine Adventskerze von der Art, bei der man jeden Tag im Advent ein kleines Stück abbrennt. Heute Morgen ist es ein größeres Stück, weil die Kerze eine Spitze hatte, die zuerst herunter schmilzt, bevor der Abschnitt mit der Nummer eins überhaupt erreicht wird.
Oft ist das Flackern einer Kerze das einzig Lebendige in meinem Heim. Ich schaue in die Flamme und träume. Manchmal sehe ich dann vor meinem geistigen Auge andere Flammen. Ein Lagerfeuer vielleicht. Eine Erinnerung an einen besinnlichen Sommerabend. Funken stieben und verlieren sich in der Nacht. In den Flammen erkenne ich Bilder. Figuren, Gesichter. Sie entstehen und vergehen. Manche entdecke ich erst später, wenn ich das Feuer, weil es mich fasziniert, fotografiert habe und die Bilder betrachte.
Jemand legt Holz nach und aus der Glut, zu der das Feuer zusammengesunken war, schlagen neue Flammen. Manchmal in Blau und selten sogar in Grün, je nach dem, welches Holz da ins Feuer geriet. Grüne Flammen mag ich nicht, sie deuten auf Stoffe hin, die man besser nicht verbrannt hätte.
Grüne Flammen mag ich, wenn sie meine Fantasie beflügeln. Es sind Hexenflammen. Sie nehmen meine Gedanken mit auf eine Reise. Die Hexe steht neben mir am Feuer. Sie sitzt nicht. Natürlich nicht, denn sie hat zu tun, zaubert irgendetwas. Und zaubern kann man nicht gut im Sitzen. Sie streckt ihre Hände über dem Feuer aus. Ihre Finger sind lang und knochig und scheinen immer länger zu werden. Mit leiser, fast unheimlicher Stimme murmelt sie einen Singsang vor sich hin. Und die ganze Zeit über züngeln die Flammen grün. Dann steigt Rauch auf, verhüllt für einen Moment das Feuer, die grünen Flammen. Als er sich verzogen hat, brennt das Feuer ruhig und klar mit rotgelben Flammen. Die Hexe ist verschwunden. Zu meinen Füßen im Gras liegt ein Stein. Der lag vorhin noch nicht da. Verstohlen hebe ich ihn auf und stecke ihn in meine Tasche. Was sollen die anderen denken, die mit mir am Feuer sitzen? Sie haben die Hexe gewiss nicht bemerkt. Wahrscheinlich haben sie nicht einmal die grünen Flammen bemerkt.
Erst als ich später zu Hause bin und meine Taschen ausleere, entdecke ich, dass der Stein ein Amethyst ist. Mein Heilstein. Achtsam lege ich ihn in ein Holzkästchen. Wer weiß, wozu ich ihn einst brauche.
Eine winzige Geschichte. Vielleicht mögt ihr sie.